Circling the Square
Art in Public Space Project / Vorplatzgestaltung BG/BRG/BORG Eisenstadt (A)
Räume so gestalten, dass mit ihnen Utopien greifbar werden
Im Werk von Anita Witek geht es immer um die Aufteilung von Raum. So abstrakt auch ihre Papierarbeiten oder Installationen, mit denen die Künstlerin bekannt geworden ist, auf den ersten Blick wirken mögen: Immer wieder sondiert sie mit ihren Collagen und installativen Bildschichtungen die Frage, welche Sichten auf einen Raum existieren, welche dominieren, welche ausgeblendet werden und folgerichtig: welche Sichten wir dem Raum vielleicht neu hinzufügen können. Dabei arbeitet sie klar einer Auflösung von zentralisierenden Sichten zu und macht stattdessen Momente einer dezentralen und enthirarchisierenden Betrachtung stark. Die Tatsache, dass sich Anita Witek viel mit den Rändern von (vorgefundenen) Räumen beschäftigt und ihre Zentren in der Bearbeitung nur umkreist, ist Ausdruck davon. Es geht der Künstlerin mit ihren verschiedenen Projekten darum, tradierte Vorstellungen vom Raum zu hinterfragen, aber auch konkret darum, Räume umzudeuten. Denn – und darum ist die Arbeit von Anita Witek so wichtig – wenn wir Räume anschauen oder uns auch in ihnen wiederfinden, dann verbindet sich damit immer auch die Frage nach unserer Position im Raum. Wo und wie kommen wir als Körper in einem Raum vor, wo finden wir unseren Platz in diesem Gefüge, wo müssen wir diesen Platz verteidigen, wo müssen wir ihn räumen , wo bekommen wir ihn ungefragt und entgegen unserem Selbstverständnis zugewiesen? Manchmal laufen diese Prozesse der eigenen Verortung im Raum sehr bewusst ab, viel öfter aber sind es tradierte Mechanismen und Verhaltensweisen, die greifen, wenn wir durch Räume navigieren und in ihnen unseren Platz finden (oder auch nicht).
Das Stichwort “Schulhof” reicht, um zu wissen, von welcher Art Raumaufteilung hier die Rede ist: Gerade dieses Terrain ist traditionellerweise klar abgesteckt, nicht nur zwischen Lehrer_innen und Schüler_innen, sondern auch unter Schüler_innen: Wer kann sich nicht daran erinnern, wie wichtig es für einen selbst war, in diesem Raumgefüge vorzukommen, an der richtigen Stelle, am richtigen Platz? Der Schulhof folgt seinen eigenen Gesetzen, seine Zonen sind klar unterteilt, und intuitiv findest du darin deinen dir gebührenden Platz, oder er wird dir zugewiesen. Obwohl: Wer sagt eigentlich, wie die soziale Ordnung zu sein hat? Muss es nicht immer wieder darum gehen, die vordergründig “natürlichen Ordnungen” bzw. die Automatismen, die wie von unsichtbarer Hand gelenkt immer wieder aufs Neue greifen, zu hinterfragen oder auch im besten Falle zu durchbrechen?
Die Entscheidung, Anita Witek im Rahmen eines Kunst & Bau-Projekts zur Gestaltung eines Schulhofes in Eisenstadt einzuladen, ist vor dem Hintergrund des existierenden sozialen Raumes “Schulhof” mit seinen eigenen Ordnungen, sehr spannend. Denn der Künstlerin geht es genau darum: existierende soziale Ordnungen zu hinterfragen, aufzulösen und neue vorzuschlagen. Nicht weniger als die ewige Quadratur des Kreises zu durchbrechen und das Unmögliche möglich zu machen, ist Ziel des Projekts von Anita Witek, dass die Umkehrung dieser in der Geometrie unlösbaren Aufgabe mit “Circling the Square” schon im Titel trägt. In einer erweiterten Lesart ist “Circling the Square” aber eben nicht nur eine Umkehrung von “Squaring the Circle” , sondern beschreibt genauso den Versuch einer (Neu-) Aufteilung von Raum.
Wie aber kann eine “Neuaufteilung” aussehen? Welche Schemata müssen verlassen werden, welche neuen gilt es zu generieren? Mit Blick auf Witeks Projekt fällt zuerst auf, dass die Künstlerin die Platzanlage dezentral gestaltet hat. Die Mitte des Raumes bleibt auch hier – wie in allen anderen Projekten der Künstlerin – offen. Von hier aus entfaltet sich ein Gefüge, in dem fließende Übergänge dominieren. Mit nur wenigen Mitteln gelingt ihr eine Form der lustvollen Strukturierung des Platzes: durch den Wechsel von Materialien, durch die farbliche Unterteilungen des Bodens, durch die Etablierung von unterschiedlichen (Höhen-) Niveaus. Mit diesen einfachen Mitteln lassen sich bestenfalls im formalen Sinne Zonen definieren, in der Nutzung des Raumes aber gehen diese Zonen spielerisch ineinander über und bleiben auf allen Ebenen aufeinander bezogen. Es gibt in diesem Entwurf keine Ecken und Kanten, wohl aber durchaus Plätze und Nischen. Gleichwohl dominiert der Eindruck: In der Nutzung bleibt alles in Bewegung.
Die Künstlerin hat für ihre Platzgestaltung in Eisenstadt eine Raumstruktur entworfen, die man gern endlos erweitern möchte und als eine Art Netz über einen viel größeren Raum werfen wollen würde: Denn die Transparenz und Offenheit, die hier dominiert und das Maß von Ordnung und Nicht-Ordnung, dass ihn gleichermaßen durchzieht, bleibt bezwingend und lädt – nicht zuletzt auch durch die Farbgebung – zu einer lustvollen Nutzung ein.
Dass Räume aufgeteilt sind und bleiben – diese Tatsache werden wir kaum umgehen können und kann auch die Künstlerin nicht ausblenden. Aber – und dies zeigt der Entwurf und die Umsetzung von Anita Witek – wir können Räume so gestalten, dass sie einen utopischen Moment transportieren, Räume, mit denen bestenfalls möglich wird, dass sich in ihnen immer wieder neue Gemeinschaften zu formieren beginnen, Räume, in denen wir immer wieder neu zueinander kommen können – einfach, weil wir uns alle selbstverständlich in ihnen bewegen können, freud- und lustvoll. Das ist das Projekt der Künstlerin, nicht nur in Eisenstadt.
Maren Lübbke-Tidow, 5.3.2018
Installtion views: © Wolfgang Thaler